Die Rovergruppe des DPSG – Stammes Lütgendortmund hatte sich für diesen Sommer eine Radtour durch Dänemark vorgenommen. Es war folgendermaßen geplant:
Mit dem Zug von Dortmund nach Bremen, dann mit dem Rad an der Nordseeküste hoch in den Norden Dänemarks, zurück an der Ostseeküste bis Hamburg, von dort wieder mit dem Zug nach Dortmund.
Doch es kam ganz anders!
Schon bei Regen starteten sie von zu Hause zum Hauptbahnhof Dortmund. Dann ging es mit dem Zug von Dortmund nach Bremen und von dort mit dem Rad weiter. Auch ab Bremen zeigte sich der Wettergott nicht gnädiger und im weiteren Verlauf der Tour sollte es der Gruppe nicht vergönnt sein,
einmal ohne Regenschutz zu fahren. In Bremen und Umgebung fiel ihnen das Fahren noch nicht so schwer, da es hier gut ausgebaute Radwege gibt.
Die erste Zwischenstation sollte Wingst in Friesland sein. Auf dem Weg dort hin traten bereits die ersten Schwierigkeiten mit dem starken Gegenwind auf, der die Gruppe auch weiterhin begleitete.
So konnten sie zum Beispiel bergabstrecken teilweise nur im ersten Gang bewältigen. Von Wingst fuhren sie weiter nach Wischhaven. Von dort setzten die Rover mit der Eibfähre nach Glückstadt über.
Dann ging es weiter nach Burg. Dort auf dem Campingplatz hielten es die 6 Radfahrer nicht lange aus, da der Campingwart sie gleich mit Fragen – wie z.B. – “Seid ihr verheiratet, sonst könnt ihr hier nicht zelten” verjagte. Deshalb zelteten sie kurzentschlossen in einem nahegelegenen Wäldchen und sparten die Campingplatzgebühren.
Am nächsten Tag wurde wieder alles zusammengepackt, und es ging weiter nach Husum. Unterwegs sahen sie zum erstenmal vereinzelt Storchennester, die sie lange beobachteten, da sie so etwas ja aus dem
Ruhrgebiet nicht kannten. Kurzentschlossen machten sie im Nordseebad Dagebüll 2 Tage Pause, um auch an einer Halligfahrt teilzunehmen. Während der Halligfahrt lernte die Gruppe den Bürgermeister der kleinsten Gemeinde Deutschlands kennen. Es handelt sich dabei um die Hallig Gröde mit ihren 16 Einwohnern. Die Hallig hat eine Schule, in der momentan ein Kind von einer Lehrerin unterrichtet wird. Auf Hallig Hooge sammelten die 6 Jugendlichen Informationen über die große Januarflut 1963, von der die gesamten Halligen betroffen waren.
Nach dieser Pause brach die Gruppe dann auf nach Dänemark. Kurz hinter der Grenze lernten die jungen Leute einen älteren Herrn kennen, der sich intensiv mit der Fütterung und Aufzucht einiger Störche beschäftigt, die ihr Nest neben seinem Haus gebaut hatten.
Er verschaffte der Gruppe auch die Gelegenheit, die Störche aus nächster Nähe zu fotografieren.
Ein Mitglied der Gruppe zog sich durch das ewige schlechte Wetter eine starke Bronchitis zu, und deshalb mußten sie auf dem Campingplatz in Hojer eine längere Zwangspause einlegen. Wegen der dadurch verlorenen Tage wurde die gesamte Radtour umgeplant, und zwar sollte es nun nicht mehr bis hoch in den Norden Dänemarks gehen, sondern nur noch bis in die Gegend um Ringköbing. Aber auch bis dahin kam die Gruppe nicht, da sie durch den anhaltenden starken Regen und die total nasse Kleidung gezwungen war, in Esbjerg wieder einmal eine längere Pause einzulegen, um die Sachen trocknen zu können. Durch das schlechte Wetter depremiert kamen dann auch die ersten Bedenken, ob weitergefahren werden sollte, oder ob man sich nicht lieber auf den Heimweg macht. Aber es kam alles ganz anders als geplant. Durch eine Ansichtskarte angeregt, auf der Schiffe abgebildet waren, kamen sie auf die irre Idee, mit einem Schiff von Esbjerg Dänemark nach Harwich England zu fahren.
Da das Geld in der Gruppenkasse nicht ausreichte, legten sie ihr gesamtes privates Geld dazu und buchten die Passage nach England, nachdem sie alle
weiteren Risiken überdacht hatten. Eins hatten sie bei ihren Überlegungen vergessen, daß die Landschaft in England sehr viel hügeliger ist, als die in
Dänemark. Hinzu kam noch, daß die englischen Landstraßen ausgebaut sind wie deutsche Autobahnen, und natürlich vom kleinsten Auto bis zum dicksten Lkw befahren werden. Wenn sie einen Berg hinunterfuhren,
dachten sie schon mit Schrecken an die nächste Steigung. Sie schlugen gleich zu Beginn den Weg nach London ein und zelteten zwischendurch noch einmal in Chelmsfort, wo sie durch Zufall die Bekanntschaft eines ehemaligen englischen Pfadfinderleiters machten. Er brachte der Gruppe
morgens Milch zum Frühstück und überließ ihnen einen Stadtplan von London, da er im Gespräch mit ihnen erfahren hatte, daß sie keine genauen Karten von England bei hatten. Nachdem sie noch Pfadfinderabzeichen ausgetauscht hatten, ging es weiter Richtung London. Der geschenkte Stadtplan von London war ihnen eine gute Hilfe für eine Sightseeing-
tour durch London. Beendet wurde die Tour beim Baden – Powell – House (benannt nach dem Begründer der internationalen Pfadfinderbewegung), wo die Gruppe hoffte, für die Nacht Unterkunft zu finden.
Da die Unterkunft zu teuer gewesen wäre, entschlossen sie sich, ihre Tour noch spät abends fortzusetzen, um außerhalb von London zu zelten. Gegen 24.00 Uhr brachen sie die Fahrt wegen Erschöpfung ab und zelteten auf einem freien Stück Wiese, neben der Straße. Nachts bekamen sie noch Schwierigkeiten mit Betrunkenen, die ihre Zelte mit Stöcken und Steine bewarfen, und sie zum makaberen Schluß auch noch anstecken wollten. Es ging zum Glück alles glimpflich aus. Am anderen Morgen als sie aufstanden, stellten sie fest, daß sie ihre Zelte in der Nacht auf einer
Wiese in einem großen Park aufgebaut hatten. Auf ihrer weiteren Tour besichtigten sie noch die Kathedralen von Rochester und Canterbury. Bevor sie das letzte Mal in England zelteten, überraschten sie auch hier wieder sintflutartige Regenfälle, die ihr gesamtes Gepäck durchnäßten und sie dazu zwangen, ihre Fahrt, die sie noch mit dem Rad durch Belgien führen
sollte, erneut umzuplanen. So entschlossen sie sich, ihre Radtour in Dover abzubrechen. Sie erkundigten sich in Dover nach der billigsten Fährlinie zum Festland und setzten dann abends nach Zeebrügge, in Belgien über. Kurz bevor sie gegen 23.00 Uhr dort ankamen, platzte im Frachtraum des Schiffes noch der Reifen eines Fahrrades. Sie waren daher gezwungen, bei Nacht und Regen das Rad zu reparieren und konnten daher erst gegen 00.30 Uhr ihre Fahrt nach Brügge fortsetzen, wo sie gegen 02.00 Uhr
morgens ankamen. Sie hatten zu dieser frühen Stunde noch das Glück, dort noch einen freundlichen Bahnhofsbeamten zu treffen, der den total durch-
näßten Radfahrern noch den Wartesaal des Bahnhofs aufschloß. Dort hängten sie ihre nassen Sachen zum Trocknen auf die Heizung und legten sich in ihre Schlafsäcke, um noch ein paar Stunden Schlaf zu finden. Morgens gegen 06.00 Uhr wurden sie von Pendlern, die die Szene neugierig durch die Glastüren des Wartesaals betrachteten, geweckt. Die Rover kamen sich vor wie im Schaufenster. Gegen 07.30 Uhr fuhren sie dann mit dem Zug weiter Richtung Dortmund. Beim Umsteigen in Köln erlebten
sie die letzte Überraschung. Ihre Fahrräder, die sie auf den Zugfahrten bisher immer selbst transpotiert hatten, wurden ihnen in Köln nicht ausgehändigt, da der belgische Bahnbeamte die Fahrkarten falsch ausgefüllt hatte. Überraschungen waren sie ja mittlerweile gewöhnt, und sie fuhren deshalb ohne Räder weiter Richtung Dortmund. Da sie ihre Räder erst einen Tag später abholen konnten, blieb ihnen nichts anderes übrig, als mit dem Bus nach Hause zu fahren.
Insgesamt legten sie auf ihrer Tour ca. 910 km mit dem Fahrrad, 680 km mit dem Schiff und 600 km mit dem Zug zurück.